Passion

Das Schreiben, oh das Schreiben. Es fließt und fließt aus mir heraus. Aus kleinen Fingerbewegungen werden Buchstaben, aus Buchstaben Wörter und aus den Wörtern ganze Geschichten. Geschichten, die lebendig werden, die Gedanken anregen und weiter. Geschichten, die einen Hoffnungsschimmer in sich tragen – die Hoffnung auf Inspiration und Veränderung. Ja, ich schreibe gerne. Meine Finger fliegen wie von selbst über die Tastatur. Aber: Ist es meine Passion? Bin ich, Cedric, für das Schreiben geschaffen?

Ich komme aus dem christlichen Kontext. Beim Begriff Passion denke ich direkt an „Die Passion Christi“ – dadam (das müsst ihr euch gerade ganz tief und laut, wie einen Paukenschlag vorstellen). Laut Duden bedeutet Passion zu etwas leidenschaftlich hingegeben zu sein, aber auch das Leiden insgesamt und die Leidensgeschichte Christi (er war seinem Auftrag, Gottes Zorn und gerechte Strafe auf sich zu nehmen, um uns Menschen zu befreien, sodass wir ewiges Leben bei Gott haben können, so hingegeben, dass er dafür den Spott aller und den Tod am Kreuz auf sich genommen hat). Es heißt sogar, dass der Begriff „Patient“ von „Passion“ kommt (https://www.duden.de/rechtschreibung/Passion, zugegriffen am 24.03.2023). Passion – also so sehr hingegeben sein, dass man dafür auch leidet und es uns krank machen kann (oder dass wir genau das in Kauf nehmen und trotzdem weitermachen?).

Ist es dann überhaupt gut, eine Passion zu haben? Wird man von der Gesellschaft dann nicht als FanatikerIn eingestuft? Ist nicht jede Sucht, in gewisser Weise, eine Passion? (Nein, das soll nicht abwertend oder vereinfachend sein, v.a. wenn es um Genussmittel geht. Doch seid einmal offen und folgt mir auf den Gedankengang). Betrachten wir z. B. Workaholics: Ist es bereits eine Sucht nach Arbeit? Oder ist man ganz hingegeben? Nehmen wir hier einmal die Unterscheidung vor, dass es bei Sucht nicht um das Symptom der Sucht (das Genussmittel, die Arbeit, Videospiele usw.) geht, sondern darum, vor etwas zu fliehen: Man kann sich seiner Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft nicht stellen und flüchtet sich daher in oder zu etwas anderem. Gut, damit haben wir eine Unterscheidung. Bei Passion geht es um die Sache, die man ausübt, bei Sucht um etwas anderes und die Sache soll davor nur ablenken. Auch das ist nun wieder nur sehr allgemein gesagt und weit von einer psychologischen Herangehensweise entfernt. Doch darum geht es hier ja auch nicht.

Vorausgesetzt all dieser Sachen, ist es dann gut eine Passion zu haben? Ist es gut, etwas so leidenschaftlich zu verfolgen, dass ich mich damit sogar krank mache? So provokant gefragt, würde ich es verneinen. Alte, wohlbekannte Sprüche kommen hierzu in den Sinn, z. B. „alles mit Maß“, „die Dosis macht das Gift“. Doch lasst uns einmal anders herum fragen: Ist es gut KEINE Passion zu haben? Ist es gut, wenn einem schlichtweg alles bis zu einem gewissen Maße egal ist? Ist es gut, wenn man nichts in seinem Leben hat, für das man bereit ist Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, vielleicht mal eine Nacht durchzumachen und das Essen und Trinken darüber zu vergessen? Auch das wirkt irgendwie… unbefriedigend.

Habe ich eine Passion? Lasst mich hier noch eine andere Frage einwerfen: Was ist meine Passion wert? In einem Gespräch mit einem Soldaten wurde mal gesagt: Wenn man gefangen genommen wird, dann unterschreibt man alles, was einem vorgelegt wird. Es gäbe nichts wichtigeres als sein Leben und kein Prinzip, nichts wäre es wert dass man sein Leben dafür opfern würde. Wenn die Möglichkeit bestände frei zu kommen, dann unterschreibst du alles. Das hat mich sehr beschäftigt. Wie traurig ist es, wenn es wirklich nichts wichtigeres als das eigene Leben gäbe? Wenn es kein höheres Ziel als die Erhaltung des eigenen Lebens gäbe? Und damit geht einher: Wenn es kein Ziel gäbe, für das man leiden und auch seine Gesundheit opfern würde.

Die Frage ist: Was ist dieses Ziel? Meine ganz persönliche Meinung ist, dass es eine Passion braucht, etwas, das wichtiger ist als man selbst und das eigene Leben. Diese Passion muss aber wohl überlegt und geprüft sein. Vielleicht ist diese Entscheidung sogar die wichtigste, die wir je zu treffen haben. Setze ich mich ganz für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit ein, dann habe ich keine Kapazitäten mehr für etwas anderes Großes. Was ist deine Passion, das, was wichtiger ist als du selbst und für das du bereit wärst, alles zu geben? Und: Ist sie es wert?

Ich bin kein Psychologe. Ich schreibe hier Gedankenanstöße aus meinen persönlichen Überlegungen heraus. Die Texte dienen nicht zur Therapie. Wer Hilfe braucht, wende sich an professionelle Beratungsstellen.

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